Das Ehepaar G. war zum Zeitpunkt der Therapie bereits über 20 Jahre verheiratet, sie hatten 4 Kinder, die alle im Grundschulalter waren. Frau G. war damals Erzieherin und der Mann Bankkaufmann. Das Paar hatte tiefgreifende Probleme und die Beziehung stand auf der Kippe. Herr G. hatte eine Affäre mit einer jüngeren Kollegin. Der Ehemann hat seiner Frau schon vor Therapiebeginn alles gebeichtet, die Affäre bereut und war bereit alles zu tun, um die Ehe aufrechtzuerhalten. Er schlug seiner Frau vor gemeinsam eine Paartherapie zu beginnen, um an ihrer Ehe zu arbeiten und diese zu retten. Frau G. erschüttert, tief verletzt und enttäuscht wollte erst mal Bedenkzeit haben, um das Gesagte zu verarbeiten – schließlich willigte sie ein.
Am Anfang der Eheberatung wurde zunächst gemeinsam mit dem Paar der therapeutische Auftrag geklärt: Wollte das Paar sich trennen oder an ihrer Ehe arbeiten? Nachdem der Therapieauftrag – nämlich die Rettung ihrer Ehe – einvernehmlich beschlossen wurde, ging es darum die Ursachen für die Ehekrise zu ergründen. Beide Partner hatten die Möglichkeit und den Freiraum die Krise, ihre Ehe sowie die Familiensituation und die Partnerschaft aus ihrer eigenen Perspektive zu beschreiben, dabei empfundene Gefühle und Gedanken zu äußern und eigene Bedürfnisse zu formulieren. Herr G. erklärte, dass er die Beziehung zu seiner Frau als distanziert, sachlich und entfremdet empfand. Irgendwann im Laufe ihrer langen Ehe – wann genau konnte er gar nicht sagen – sah Herr G. seine Ehefrau nicht mehr als Geliebte sondern als die Mutter seiner vier Söhne. Dieses Gefühl der Entfremdung wurde aber von keinem angesprochen. Die Erotik in der Beziehung war schon lange abgeflacht und auch darüber wurde geschwiegen. Beide haben funktioniert, gearbeitet, Kinder großgezogen und mehr oder weniger aneinander vorbeigelebt. Frau G. stimmte zwar der grundsätzlichen Problematik, dass sie sich auseinander gelebt habe, zu. Sie konnte es aber nicht glauben, dass ihr Ehemann sie so tief verletzen und enttäuschen konnte. Letztendes entschied sich Frau G. den Weg der Verzeihung zu gehen und ihre verletzen Gefühle zu verarbeiten.
Als therapeutische Maßnahme wurde eine gedankliche Reise in die Vergangenheit unternommen. Wie hat das Paar sich kennengelernt? Was fanden sie jeweils an dem anderen toll? Was ist davon geblieben? Wie kann man das Besondere an dem Partner wiederfinden? Was hat sie als Paar zusammengeführt? Diesen und ähnlichen Fragen hat sich das Paar gestellt, gemeinsam nach Antworten gesucht und auf diese Wiese vieles über sich selbst und ihre Partnerschaft wiederentdeckt. Auch die familiäre Situation wurde im Laufe der Paartherapie beleuchtet und der nicht unerhebliche Einfluss einer Familiengründung auf die Partnerschaft aufgedeckt. Es ist ganz normal, dass man sich als Paar zugunsten der Kinder und Aufbau einer Familie zurücknimmt. Es ist eine große Herausforderung sich als Paar bei der Familiengründung nicht komplett aus den Augen zu verlieren. Bei 4 relativ kurz aufeinander folgenden Kindern erscheint diese Aufgabe umso schwerer. Der Zeitraum, in dem sich das Ehepaar G. vor den Kindern an zweiter Stelle gesehen hat, war sehr lang gewesen. Sie haben mit viel Engagement und Hingabe an ihrer Familiengründung und erfolgreicher Kindererziehung gearbeitet. Auch diese Errungenschaft lernten sie in der Therapie wertzuschätzen und als Gemeinsamkeit zu betrachten.
Die Affäre war wie ein Weckruf und eine neue Chance für die Beziehung. Mit großer Bereitschaft und Motivation fand das Paar schließlich zueinander. Sie bauten gemeinsame Rituale auf, wie z.B. das gemeinsame Tanzen als Hobby. Sie setzten sich neue gemeinsame Ziele, wie den Umzug in eine neue Wohnung. Das Ehepaar G. hat sich nicht nur als Paar sondern auch individuell weiterentwickelt. Frau G. hat beispielsweise ein Studium begonnen und abgeschlossen und Herr G. ist beruflich aufgestiegen. 10 Jahre später sind sie immer noch ein Paar und glücklich über die Chance, die sie damals genutzt haben.
Quellenhinweis: Redaktion MVZ Köln für Psychotherapie GmbH Odendahl & Kollegen
Hinweis: Der oben genannte Artikel ersetzt nicht den Besuch beim Psychologen, Arzt oder Therapeuten und ist nicht zur Selbsttherapie/-behandlung geeignet.
Aktualisiert: 16.08.2017