Welche Faktoren beeinflussen die Wahl eines Partners? Welchen Einfluss haben unsere frühkindlichen Erfahrungen auf die Dynamik von Beziehung im Erwachsenenalter? In diesem Artikel soll diesen zwei zentralen Fragen auf den Grund gegangen werden.
Es gibt Menschen, die sich fast schicksalhaft immer wieder in den „Falschen“ verlieben. Wenn jemand etwas Pech in der Liebe hat, ist es kein Grund sofort zum Therapeuten zu laufen. Aber wenn sich bestimmte Muster in den Beziehungen einschleichen und diese deshalb immer wieder an ähnlichen Problemen scheitern, lohnt es sich nach den Ursachen zu schauen. Häufig haben Menschen große Schwierigkeiten zu erkennen, ob der in Frage kommende Partner überhaupt ein Interesse an einer langfristigen Partnerschaft hat oder eher auf ein kurzfristiges Abenteuer aus ist. Diese Fehleinschätzung dessen, wie sich andere Menschen in Beziehungen verhalten könnten, gehören zu den häufigen Faktoren, warum sich scheinbar so viele auf falsche Menschen einlassen. In der Regel strahlen Menschen ihr Bedürfnis nach Bindung oder nach einer kurzen Affäre aus. Wer jedoch nicht unterscheiden kann, ob sein Gegenüber etwas Langfristiges sucht oder nicht, läuft automatisch Gefahr, sich auf den „Falschen“ einzulassen und von Mal zu Mal enttäuscht zu werden. Es kann daher sehr hilfreich sein, auch mit dem „Falschen“ oder der „Falschen“ in eine Paartherapie zu kommen, um bestimmte Verhaltensmuster und eigene Selektionsdynamik besser nachvollziehen zu können.
Eine ungünstige Partnerwahl und die damit einhergehenden verzerrten Wahrnehmungen kommen in den allermeisten Fällen nicht zufällig zustande. Dysfunktionale Beziehungsmuster entwickeln sich bereits in der frühen Kindheit. Psychologen unterscheiden dabei vier verschiedene Muster, die sich bereits aus den frühkindlichen Erfahrungen entwickeln. Erwartungen an eine Beziehung, die Art und Weise, wie wir uns in den Beziehungen verhalten und wie wir auftreten oder den anderen wahrnehmen, wird bereits in der frühen Kindheit geprägt und verfolgt uns – so zu sagen – bis ins Erwachsenenalter. Was nicht bedeuten soll, dass diese frühkindlichen Erfahrungen im Erwachsenenalter auch bleiben müssen. Machen Menschen andere, neue und korrigierende Erfahrungen, können sie die in der Kindheit erlebten ungünstigen Bindungserfahrungen verändern. In den allermeisten Fällen entwickeln Menschen ein relativ gesundes Bindungsmuster, die sogenannte „sichere Bindung“. Frauen und Männer mit einem sicheren Bindungsmuster haben von ihren Eltern Sicherheit, Geborgenheit und Zuverlässigkeit erfahren. Sie konnten sich auf die Liebe und den Schutz mindestens einer Bezugsperson, in der Regel der Eltern, verlassen. Sicher gebundene Erwachsene tragen die Zuversicht, gemocht und geliebt zu werden in sich und handeln auch danach. Ihnen fällt es nicht so schwer, tragfähige und stabile Beziehungen einzugehen. Auch Menschen mit einer sicheren Bindungsentwicklung sind natürlich nicht vor Pechsträhnen in Bezug auf Beziehung oder Liebeskummer geschützt. Es ist jedoch höchst unwahrscheinlich, dass sie sich systematisch in die „falschen“ Partner verlieben.
Wer als Kind jedoch wenig Zuwendung und Verlässlichkeit erfahren hat, erlebt in der Partnerschaft oft große Anspannung und Unsicherheit. Ist hin- und hergerissen zwischen Streit und Versöhnung, Verzweiflung und Leidenschaft. Dieser Bindungstyp wird in der Fachliteratur als „unsicher-ambivalent“ bezeichnet. Schwierigkeiten in den Beziehungen mit unsicher-ambivalent gebundenen Partnern äußern sich in der ständigen Forderung an Zuwendung und Bestätigung. Frauen und Männer mit diesem Bindungstyp sind sich in der Zuneigung und der Liebe ihrer Partner oft nicht sicher und brauchen daher immer wieder eine Zusicherung oder einen Beweis für das gegenseitige Commitment. Dieses Verhaltensmuster rührt oft daher, dass diese Menschen als Kinder keine stabile und verlässliche Bindungsperson hatten – mal viel zu viel Zuwendung und Aufmerksamkeit erhalten haben, mal Abweisung und emotionale Kälte.
Ein anderer dysfunktionaler Bindungstyp ist der sogenannte „unsicher-vermeidende“ Typ. Dieser Bindungsstil entsteht, wenn man als Kind in der Regel zurückgewiesen wurde und das Grundbedürfnis nach Bindung nicht erfüllt wurde. Als Erwachsene ist man dann eher geneigt, die Bedürfnisse nach Zuwendung und emotionaler Bindung zu unterdrücken und deutlich stärker auf Autonomie zu setzten. Sie sind besonders leistungsorientiert und können äußerst mühsam Schwäche zeigen. Wirken daher oft emotional distanziert.
Interessanterweise ergaben Untersuchungen, dass Menschen mit unsicher-vermeidenden Typ, denen es schwer fällt Nähe und emotionale Zuwendung zuzulassen, sich öfters Partner suchen mit dem genau gegenteiligen Bindungstyp – also eher einen Partner mit dem unsicher-ambivalenten Bindungsmuster. Unsicher-ambivalente Menschen wirken mit ihrer emotionalen Überschwänglichkeit und geringer Selbstkontrolle für unsicher-vermeidende Typen besonders attraktiv, da sie scheinbar ihre emotionale Starre ausgleichen. Der Ambivalente – emotional eher instabile Typ – fühlt sich zu dem vermeidenden Typ hingezogen, weil dieser emotional eher standfest zu sein scheint und sich nicht so leicht aus der Fassung bringen lässt. Außerdem bestätigen sie für den ambivalenten Typ das Bindungsmuster, das sie schon aus ihrer Kindheit kennen – sie erfahren von dem vermeidenden Typ auf der einen Seite Liebe und Zuwendung und auf der anderen Seite Distanz und Abweisung. Zwar können Paare mit gegenläufigen Bindungsmuster, die sich zusammengefunden haben, auch glückliche Beziehungen führen und durch positive Erfahrung immer mehr an Sicherheit gewinnen, aber sie müssen deutlich mehr Hürden überwinden und Herausforderungen meistern. Wenn sich aus den beiden Verhaltensmustern eine dysfunktionale Dynamik in der Beziehung entwickelt, kann es der Partnerschaft sehr schaden. Ein Wechselpiel aus Ablehnung und Klammern ist oft zum Scheitern verurteilt. Fühlt sich der unsicher-ambivalente Partner vernachlässigt und abgewiesen, versucht er an der Beziehung noch fester zu halten. Dadurch fühlt sich der unsicher-vermeidende Partner bedrängt und hält daraufhin noch mehr Abstand. Dies verunsichert den ambivalenten Partner zunehmen, woraufhin dieser umso mehr klammert. Wenn sich diese Spirale zuspitzt, zerbricht die Beziehung. Eine Paartherapie kann in einem solchen Fall Abhilfe leisten und dem Paar verhelfen, sowohl das individuelle Verhaltensmuster als auch die dadurch entstehende schädliche partnerschaftliche Dynamik zu erkennen. Begleitet von einem professionellen Paartherapeut oder Coach, können sie als Paar ihre Ressourcen aktivieren und sich sowohl individuell als auch partnerschaftliche weiterentwickeln.
Besonders große Schwierigkeiten haben Menschen mit einer „desorganisierten Bindung“. Sie bilden in der Gesamtbevölkerung zwar den geringsten Anteil, stellen jedoch für die professionellen Helfer die größte Herausforderung dar. Frauen und Männer mit einem desorganisierten Bindungsmuster haben in der Regele tragische Kindheitserfahrungen durchlebt. Sie wurden von den Aufsichts- und potentiellen Bindungspersonen entweder völlig vernachlässigt oder gar missbraucht. Oft sind es Menschen, die bereits in der Kindheit psychische und körperliche Gewalt erfahren haben. Das desorganisierte Bindungsmuster kann auch entstehen, wenn Kinder in einem emotional chaotischen Elternhaus aufgewachsen sind – wenn sie beispielsweise stark vernachlässigt worden sind, weil die Eltern selber unter einer psychischen Störung wie Depression, Alkohol- oder Drogensucht litten. Das Grundbedürfnis nach Bindung wurde demnach nicht nur missachtet sonder missbraucht. Die Suche nach Nähe und Zuwendung mündete in der Regel in Missbrauch oder Verletzung, weshalb desorganisiert gebundene Menschen in einer Partnerschaft zwar die Nähe suchen, aber gleichzeitig immer damit rechnen verletzt und zurückgewiesen zu werden. Dieser ständig andauernde Spannungszustand führt dazu, dass die Partner sich in einem kontinuierlichen hohen Stresslevel befinden. Zumal sich Menschen mit einem desorganisierten Bindungsmuster häufig zusammenfinden. Dies birgt in der Partnerschaft ein höchst explosives Potential. Eskalierende Konflikte und Gewalttaten sind keine Seltenheit. Trotzdem nehmen viele Menschen Misshandlungen in der Beziehung in Kauf, weil sie einerseits die Versöhnung als besonders schön empfinden und andererseits keine anderen Beziehungserfahrungen kennen. Für die Intimität, die jeder Mensch braucht, zahlen Frauen und Männer mit einem desorganisierten Bindungsmuster demnach einen sehr hohen Preis. In der Regel empfiehlt es sich in solchen Fällen einen psychologischen Psychotherapeuten aufzusuchen, um die eigenen traumatischen Erfahrung zu verarbeiten, zu integrieren und schließlich davon Abstand zu gewinnen. Eine Paartherapie kann zusätzlich zu gegenseitigem Verständnis und mehr Unterstützung verhelfen. Die Sehnsucht nach stabiler Bindung und Intimität können betroffene Paare mit viel Mut und Einsatz erfüllen.
Quellenhinweis: Redaktion MVZ Köln für Psychotherapie GmbH Odendahl & Kollegen
Hinweis: Der oben genannte Artikel ersetzt nicht den Besuch beim Psychologen, Arzt oder Therapeuten und ist nicht zur Selbsttherapie/-behandlung geeignet.
Aktualisiert: 16.08.2017
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